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Nun fahre wohl, Landfriede! nun, Lehndienst gute Nacht!
Es herrscht der freie Ritter, der alle Welt verlacht.
All die Zeit über, namentlich während des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts, hatte Ruppin, wie die Mehrzahl der märkischen Städte, seine Fehden mit dem umwohnenden Adel, Fehden, zu denen sich von Zeit zu Zeit auch innere städtische Streitigkeiten und sogar Volksausbrüche gegen das Gebahren der niederen Geistlichkeit gesellten.
In den Kämpfen zwischen der Stadt und dem Landadel spielte die sogenannte "Kuhburg"9 eine Rolle. Sie stand auf den Kahlenbergen, eine Meile nördlich von der Stadt, auf dem Wege nach Rheinsberg, und diente zunächst als "Lug ins Land". Rückten die Feinde an, so gab der Wächter sein Zeichen und die Bürger, die gemeinhin als Besatzung in diesem Turme lagen, brachen nun mit ihren Knechten und Reisigen hervor, teils um das Vieh zu retten, teils um dem Angriff zu begegnen. Zu nachhaltigen Unternehmungen kam es selten, besonders nachdem beide Parteien die Nutzlosigkeit einer ernsteren Kriegführung erprobt hatten. Die Adligen, nach vielfach gescheiterten Versuchen, waren ebenso abgeneigt, die wohlverwahrte Stadt"10 anzugreifen, als die Bürger eine Scheu hatten, sich an der Einnahme unzugänglicher "Sumpfburgen" zu versuchen. Die immer bedrohte Sicherheit hatte auf beiden Seiten zu einem ausgebildeten Defensivsystem geführt, und während jetzt der Grundsatz gilt: "daß der Angriff stärker sei als die Verteidigung", galt damals das Umgekehrte. So begnügte man sich mit Überfällen, bei denen die Bürger insoweit den kürzeren zogen, als ihr Handel und Wandel ein größeres und bequemeres Angriffsobjekt bot. 1365 und 1386 werden in einem Ruppiner Schloßregister die gefürchtetsten Feinde aus der Umgegend genannt. Es sind: Tacke de Wontz, Reinecke von Gartz, Wedego von Walsleben, Lüdecke von Winterfeld, Claus von Winterfeld und Hans von Lüderitz. Die drei erstgenannten Familien sind ausgestorben.
Es kamen selbstverständlich auch "stillere Zeiten". Aber wenn in diesen die Fehde ruhte, so ruhte doch selten der Groll im Herzen, und aller Orten, wo Adel und Bürger bei Wein und Bier, bei Spiel und Festlichkeit zusammen kamen, war immer Gefahr vorhanden, die alte Fehde neu ausbrechen zu sehen. Die bitterste der Art, die lange nachwirkte, fiel in die zweite Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts. Es verhielt sich damit wie folgt.
In einem Wirtshause Ruppins saßen Adlige und Bürger beieinander; man trank, man schwatzte, aus dem Schwatzen wurde Streit, ein Adliger zog seine Waffe und stach einen der Bürger nieder. Die Tat wurde ruchbar auf der Stelle, und die Stadt, die damals noch ihre eigene Gerichtsbarkeit hatte, ließ den Übeltäter greifen, gefangen setzen und verurteilte ihn zum Tode durch das Schwert. Als das Urteil und die zur Vollziehung festgesetzte Zeit unter dem Adel der Umgegend bekannt wurde, versammelten sich die Edelleute dicht vor dem Tore in der Nähe der Richtstätte, um ihren Standesgenossen zu befreien. Der Rat jedoch, der davon Kunde erhielt, traf seine Maßregeln. Er hielt das Außentor verschlossen und ließ dem Verurteilten zwischen dem Außen- und Innentor ("nahe bei dem ersteren, damit die Ritter es hören könnten") den Kopf abschlagen. Dann wurde das Außentor geöffnet und die Edelleute durften den Leichnam ihres gerichteten Standesgenossen zur Bestattung mit sich nehmen. Der Adel klagte bei dem Markgrafen, wahrscheinlich bei Albrecht Achill, und der Stadt, der in diesem Falle trotz ihrer eigenen Gerichtsbarkeit die Pflicht obgelegen hätte, eine höhere Instanz anzurufen - wurde als Strafe auferlegt: hinfort keinen freien Adler mehr im Wappen zu führen, sondern einen verkappten. Noch bis zu Anfang des vorigen (18.) Jahrhunderts deutete ein eisernes Kreuz zwischen Außen- und Innentor die Stelle an, wo die Stadt, über ihr Recht hinaus, einen ihrem Gericht nicht unterstellten Adligen vom Leben zum Tode gebracht hatte.
Ob der "verkappte Adler" den Ruppinern ein besonderes Herzeleid angetan, stehe dahin, jedenfalls aber sahen sie sich von härteren und fühlbareren Folgen betroffen, als sie, bei anderer Gelegenheit, ebenfalls ihren Rechtseifer nicht gezügelt und an einem Geistlichen, an dem Diakonus Jakob Schildicke, eine "rasche Justiz" geübt hatten. Die Sache war die:
In der Stadt Ruppin, wie in der Umgegend, waren seit einiger Zeit Diebstähle aller Art verübt worden; Geld, Tuch, goldene und silberne Geräte wurden sowohl aus Privathäusern wie aus Kirchen entwendet. Verdacht entstand gegen diesen und jenen, verschiedene wurden eingezogen; alle jedoch mußten wieder entlassen werden, weil die Untersuchung nichts gegen sie ergab. Endlich setzte der Magistrat eine Haussuchung fest, von der auch die Geistlichen, deren Ruppin damals gegen fünfzig zählte, nicht ausgeschlossen blieben. Und wirklich, in der Wohnung des Jakob Schildicke fand man das gestohlene Gut. In seinem geistlichen Ornate ward er ins Gefängnis geführt und sein eigenes Geständnis, das am andern Tage erfolgte, überzeugte die Richter von seiner Schuld. Aber dies eigene Geständnis genügte nicht und durch Glocken läuten wurde das Volk zusammengerufen, um unter Gottes freiem Himmel ein ordentlich Gericht zu halten und die Strafe für diesen seltenen Verbrecher festzusetzen. So wollten es Richter und Magistrat. Das Volk indes war gegen jeden Aufschub, und verlangte stürmisch und ohne gesetzliche Prozedur die augenblickliche Hinrichtung. Zwei Bürger, Koppe Königsberg und Heinrich Keller, wurden durchs Los zu Vollstreckern gewählt (man (man hatte damals, wenigstens in den kleineren Städten, noch keinen Nachrichter) und Jakob Schildicke hing am Galgen, ehe noch eine Stunde vergangen war. Dies Stück Volksjustiz - - dem entgegenzutreten Richter und Magistrat nicht die Macht hatten - rief innerhalb der gesamten Geistlichkeit einen Sturm des Unwillens hervor, die Bischöfe von Havelberg und Brandenburg brachten es vor den Papst und Ruppin ward in den den Bann getan. Handel und Verkehr stockten, die Tore waren wie gesperrt, und jeder Ruppiner, Ruppiner, der sich außerhalb der Stadt betreffen ließ, war vogelfrei. Es kostete viel demütiges demütiges Bitten, eh' endlich, nach sechs Jahren, die Absolution erwirkt werden konnte, der umwohnende Adel aber aber fand es bequem, keine Notiz von der Freisprechungsbulle zu nehmen und seine Angriffe, unter dem Titel: "im "im Dienst der Kirche", fortzusetzen.
Die Frage entsteht: Wie stellten sich sich die Grafen, die doch die nächstoberste Macht im Lande waren, zu all diesen Übergriffen? Waren sie nie zur Hand, um die Städte gegen den Adel, und nie zur zur Hand, um den Adel gegen die Städte zu schützen? Es scheint, daß ihnen früh der Zügel der Herrschaft entfiel; mühsam sich selber bei Ansehen haltend, waren sie sie viel zu schwach, um in jedem gegebenen Falle, gleichviel nun wie sich die Rollen tauschten, das Recht des Schwächeren gegen den Stärkeren wahrzunehmen.
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